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von Gisela & Herbert Ruffer

„Das ist schließlich mein Recht!“

Thomas ist knapp 40 Jahre alt, geborener Münchner, wohnhaft in Straubing, er finanziert sein Leben mit Arbeitslosengeld. Bei einem Motivationsseminar sitzt er in der ersten Reihe und beteiligt sich rege an der Diskussion. Schnell stellt sich heraus, dass er Physik und Mathematik studiert hatte und sich daher zu den Akademikern zählt. Auf die Frage, was er denn nach der Uni gearbeitet habe, antwortete er mit einer ausführlichen Schilderung der acht Jahre Studium, leider ohne Abschluss. Es lag an den Professoren und deren Unfähigkeit. Außerdem wollte man ihn nicht, weil seine Meinungsäußerungen zu kritisch waren. Seither habe er über zahlreiche Erfindungen nachgedacht. Er trinke gerne Bier, aber Alkoholiker sei er ganz sicher nicht, auch wenn das andere böswilliger Weise behaupten würden. Sehr geschickt konnte er uns und den Zuhörern vorrechnen, dass er am Tag locker acht Flaschen Bier trinken könne ohne betrunken zu werden. Zu diesem Zweck addierte er den Alkoholanteil der Menge Bier und dividierte das Ergebnis durch die Gesamtstunden des Trinkens und dem dabei erzielten Alkoholabbau. Sie erraten es schon? Er landete bei null. Stolz sagte er: „Ergo bin ich kein Alkoholiker!“

Alle Seminarteilnehmer schauten etwas verdutzt und wollten wissen, womit er sich denn sonst noch so beschäftigen würde. Thomas erzählte von seinem politischen Engagement als verantwortungsvoller Bürger: „Immer, wenn ich in den Nachrichten etwas mitbekomme, was nicht so läuft, wie es sein soll, dann rufe ich bei denen in der Botschaft an und sage ihnen die Meinung oder schreibe gepfefferte Briefe oder Mails!“ Es stellte sich heraus, dass er schon diverse Anzeigen wegen Volksverhetzung bekommen hatte. Erfüllt mit einem gewissen Stolz auf seine Taten und Aktionen, um die Welt zu retten, wetterte er wortgewandt gegen den Staat und dessen Ausbeutertum. Als wir ihn auf sein Arbeitslosengeld aufmerksam machten, tönte er laut: „Das ist schließlich mein Recht!“ Außerdem würde ihn diese ganze Bürokratie sowieso krank machen, und daher braucht bestimmt niemand auf die Idee zu kommen, dass er jemals in einer dieser kapitalistischen Fabriken arbeiten gehen würde. Punkt. Bei Thomas mangelt es ganz sicher nicht an der Intelligenz. Daher sind auch seine Geschichten in sich schlüssig und dem Zuhörer bleibt zum Schluss noch die Möglichkeit, ihm etwas verblüfft aber fast anerkennend auf die Schulter zu klopfen.

In einem späteren Gespräch erfuhren wir, dass Thomas bis heute nicht weiß, wer sein Vater ist und wie die tatsächlichen Umstände waren, die zu seiner Zeugung geführt haben. Die Mutter spricht nicht darüber. Hier begegnete uns ein Mann, der zwar von seiner alternden Mutter bis heute innig geliebt wird, der sich aber nie mit der Tatsache seiner Existenz versöhnen konnte. Der Stolz seiner Mutter konnte ihm nicht die fehlende Anerkennung des Vaters ersetzen. Der Mangel an positivem Selbstgefühl ließ keinen Erfolg zu. Alle aufkommenden Fragen an sich und seine Lebensweise blockierte er, und somit blieben sie unbeantwortet. Damit erschuf er sich aber keinen Freiraum, sondern nur Platzhalter in Form von ‚alternativen Wahrheiten‘, also Lebenslügen und Hochstapelei, hinter denen er sich verbergen und schützen wollte. Und warum? Die Antwort ist schlicht: aus Angst, nicht zu genügen.

Also: Zu sich selbst und seiner Existenz, zu seiner Verantwortung und seinen Aufgaben Nein zu sagen, kann etwas Krankhaftes haben. Mit Selbstbewusst-Nein-Sagen hat das nichts zu tun, dazu braucht es nämlich ein gutes Selbstgefühl.

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