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von Gisela & Herbert Ruffer

Rede-Sucht

Norbert, 32 Jahre alt, war ein ‚Kreativer‘ in einem aufstrebenden, kommunikativen Unternehmen. Er eiferte in der Firma nach einer einflussreichen Position und profilierte sich mit Überstunden und Zusatzaufgaben. Als wir uns trafen, ergoss er sich aufgebracht in einem halbstündigen Redeschwall. Er schimpfte über die unzumutbare Arbeitsatmosphäre, verzweifelte über den wortkargen Vorgesetzten, beschrieb seine Ohnmacht gegenüber den Kollegen, von denen er sich ausgegrenzt fühlte, lobte seine eigenen Fähigkeiten und zugleich die Panik vor einem eventuellen Arbeitsplatzverlust. Jeder Kommentar von uns in Form von „Aha“ oder „Verstehe“ schien in ihm die Gier nach Darstellung schlagartig zu erhöhen, und selbst ein leichtes Kopfnicken förderte seine Sucht nach Worten. Norbert redete immer schneller und ließ keine Zwischenfrage zu, während er seinen Neid gegenüber anderen und deren Ausbildung äußerte und schließlich seine Befürchtung artikulierte, nicht gesehen oder respektiert zu werden. Schließlich schauten wir auf die Uhr und sagten freundlich aber bestimmt zu ihm: „Sie haben noch fünf Minuten.“ Die nutzte er, um noch einen schnellen Bogen zu schlagen und sich dann von uns zu verabschieden. Wir nahmen ihn bei der Hand, sahen ihm in die Augen und sagten: „Was ist ihre Frage?“ Daraufhin konzentrierte er sich einen Moment und antwortete: „Was soll ich denn nur tun?“ Unsere ruhige Antwortete lautete: „Machen Sie eine Weiterbildung!“ Verblüfft schaute er uns an und meinte nur: „Ja, das habe ich schon befürchtet, dass Sie das sagen. Dann mach ich das jetzt!“

Natürlich hängt unsere Reaktion auf redesüchtige Menschen auch direkt mit unserer eigenen Befindlichkeit zusammen. Kürzlich übernachteten wir in einer Ferienwohnung auf dem Land. In der Nacht war es herrlich still und eigentlich hätten wir sehr gut schlafen können. Eigentlich. Denn immer, wenn sich in einer wohligen Entspannung der Schlaf einstellen wollte, hallte durch die Stille das Patschen des tropfenden Duschkopfes in die gusseiserne Wanne. Anfänglich kaum wahrnehmbar, erschien es seltsamerweise, zunehmend lauter zu werden. Unruhig wälzten wir uns im Bett hin und her. Dann tickte auch der Wecker immer aufdringlicher und das Bett knarrte ächzend beim Umdrehen. Hilfe! Irgendwo befand sich jetzt auch eine surrende Fliege im Raum. Wie konnte das sein, dass alle anderen im Haus tief und fest schlafen konnten nur wir nicht. „Sind die denn alle taub?!“ Langsam krabbelte die Wut hoch und das Kissen unterm Kopf fühlte sich steinern an. An Schlaf war nicht mehr zu denken.

Wortsüchtige Menschen haben etwas von tropfenden Duschköpfen: Sie erscheinen uns wie ‚undichte‘ Personen. Unablässig rieseln ihnen Worte aus dem Mund. Ob wir gelassen und abgegrenzt reagieren können, hängt tatsächlich auch mit unserer Tagesform und der entsprechenden Wahrnehmung zusammen. Sollten unsere Nerven nicht immer in einer entsprechenden Verfassung sein, brauchen wir uns ganz sicher nichts abzuverlangen. In der Ferienwohnung konnten wir mit einer Tasse Tee und einem Buch für die verbleibenden Nachtstunden ins Wohnzimmer flüchten bis wir am nächsten Morgen entspannt und ausgeruht auf dem Sofa erwachten. In der folgenden Nacht schliefen wir hervorragend! Hatte etwa jemand in der Zwischenzeit die Dusche repariert? Nein, wir hatten uns nur schon dran gewöhnt.

Also: Menschen mit Redesucht können einem schon auf die Nerven gehen. Aber man gewöhnt sich auch an sie. Dennoch muss man sich dem Wortschwall nicht aussetzen. Sie können den anderen begrenzen, indem Sie sagen: „Sie haben noch fünf Minuten.“

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